Immer öfters erkundigen sich Piloten nach dem neuen "unbekannten" Fluggerät, welches jüngst in Kägiswil anzutreffen ist. "Ist es ein UL? Ist es ein Helikopter?" - weder noch. Folgender Beitrag unseres Pilotenkollogen Sascha Sandi gibt Aufschluss und führt uns in die bisher in der Schweiz unbekannte Welt der Gyrocopter... Wir wünschen viel Vergnügen bei der Lektüre:
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Lizenz zum Fliegen

James Bond machte einst den Gyrocopter weltweit bekannt. Doch Fans in der Schweiz kamen bislang nicht auf ihre Kosten, denn hier sind die Fluggeräte verboten. Doch es gibt ein Schlupfloch dank der EAS.

Ich habe mir einen Traum verwirklicht. Ich bin Pilot meines Gyrocopters (Tragschrauber) Arrow-Copter AC10 (Kit), den ich zum grössten Teil selbst gebaut habe. Bekannt wurden Gyrocopter vor allem durch den James-Bond-Film «Man lebt nur zweimal», in dem der Geheimagent mit dem eigentümlichen Fluggerät auf Schurkenjagd ging. Natürlich ist Deutschland als Vorreiter in der Gyrocopter-Szene ein weiterer Grund für die Popularität rund um die Schweiz.
Für mich lag die Lizenz zum Fliegen einst in scheinbar unerreichbarer Ferne. Denn in der Schweiz sind Gyrocopter grundsätzlich nicht zugelassen. «Nach vielen Recherchen fand ich jedoch heraus, dass die Möglichkeit besteht, den Gyrocopter über einen Eigenbau/Experimental in der Schweiz zuzulassen». Bedingung: Es müssen mindestens 51 Prozent des Fluggeräts selbst gebaut werden. «Dies hiess also für mich, dass ich einen Hersteller finden musste, der mir ein solches Kit anbieten konnte».
Bei der FD-Composites GmbH in Österreich wurde ich fündig. Das Werk gestattete mir für einige Wochen den Autoklav zu benützen, damit ich die grosse selbsttragende Zelle aus Karbon, Glasfaser und Kevlar miteinander verbacken konnte. Zuvor erfolgte jedoch die aufwendige Arbeit die Teile herzustellen (Prepreg-Laminat anhand eines Schnittmusters zuschneiden mit anschliessendem auslegen in die Negativform). Nach erfolgtem Backvorgang musste ich die Teile noch zurechtschneiden und mühsam schleifen. Die fertigen Teile liess ich jedoch extern lackieren und machte sie danach bereit für den Versand in die Schweiz für die Montage.
Das erste grosse Highlight war die Ausstellung meines äusserlich fertig montierten Gyrocopters an der Ausstellung «100 Jahre Schweizer Luftfahrt» im Verkehrshaus Luzern. Im Anschluss folgte der Einbau des Innenlebens. Unter anderem bekam mein Fluggerät einen bei Ultraleichtflugzeugen weit verbreiteten Rotax 914 UL. Es folgten die Avionik und das komplette Steuerungs-System u.a. für den Rotor, sowie viele weitere kleinere Arbeiten, welche dann überraschend doch grösser waren als angenommen :-). Der Rotor musste am Ende noch korrekt eingestellt/getrackt werden. Das ging bei mir vorerst nur manuell. «Das war ein aufwändiges Geduldsspiel. Ich und Bruno brachten an den Rotorblatt-Enden Reflektoren (rot/weiss) an und konnten mit Hilfe einer starken Lampe von aussen die Spur prüfen und Korrekturen vornehmen».
Bevor der Gyrocopter zur Schlussprüfung an die EAS und an das BAZL übergeben werden konnte, musste ich auch die etwas trockenere Papierarbeit erledigen. Insbesondere gehörten dazu das Erstellen der Protokolle, sowie das Flughandbuch inkl. W&B-Berechnung und des Wartungshandbuchs. «Das brauchte alles noch mehr Zeit».
Wenigstens musste ich mir bei der Lizenz keine grossen Sorgen machen. Das BAZL verlangte zu meiner bestehenden Flächenpiloten-Lizenz „nur“ noch eine Tragschrauber-Lizenz, für die ich für ein paar Tage nach Deutschland durfte. Aktuell befinde ich mich in der Flugerprobung und werde für die viele Arbeit mehr als entlohnt! Für Fragen rund um mein Projekt stehe ich gerne jeder Zeit zur Verfügung. Mehr unter www.arrow-copter.ch und www.arrow-copter.com.

Autorotation

Als Autorotation bezeichnet man das nur durch Luftströmung (Fahrtwind) bei einem Drehflügel-Flugzeug erzeugte, freie Rotieren eines Rotors. Die Rotorblätter setzen die Energie des Luftstroms dabei in dynamischen Auftrieb um, vergleichbar dem Tragflügel eines Starrflügel-Flugzeugs.
 
Warum dreht sich ein Rotor von selbst?

Bei einem Rotor erhöht sich die Geschwindigkeit vom Zentrum zum Blattende kontinuierlich. Entsprechend ändern sich Anströmgeschwindigkeit und Anstellwinkel des Profils ständig. Wird für verschiedene Punkte am Rotor ein Kräfteparallelogramm gezeichnet, zeigt sich, dass in einem gewissen Bereich die resultierende Kraft eine Vorwärtskomponente bezüglich der Bewegungsebene des Rotors hat. Grob gesagt, produziert das innere Drittel des Rotors vorwiegend Luftwiderstand, das mittlere Vortrieb und das äussere Auftrieb. Das Ganze wird noch komplizierter durch den Umstand, dass sich das voreilende Blatt schneller und mit einem andern Anstellwinkel bewegt. Beim rückeilenden Blatt ist die relative Anströmgeschwindigkeit in der Nähe des Rotorkopfes in einem kreisförmigen Bereich sogar negativ. Autorotation entsteht nur, wenn der Rotor von schräg unten angeströmt wird. Steht der Rotor durch ein missglücktes Manöver neutral oder gar negativ im Luftstrom, bleiben dem Piloten ein paar wenige Sekunden zum Reagieren. Bei negativer Belastung verringern sich Drehzahl und Auftrieb schlagartig; das Gerät liesse sich nur aus grosser Höhe überhaupt noch abfangen
Das wichtigste hierbei ist: Das der Rotor ausschließlich durch den Luftstrom angetrieben wird (Ahornsamen Prinzip)
Durch den Luftantrieb besteht eine geringe mechanische Belastung und es ist kein kompliziertes Getriebe notwendig. Der Antriebsausfall ist unkritisch. Gyrocopter haben keine Mindestgeschwindigkeit und können somit nicht in einen überzogenen Flugzustand geraten.

Warum fliegen Tragschrauber (meistens!) stabil und sicher?
Der Rotor ist ein Kreisel, Kreisel neigen dazu ihre Lage im Raum beizubehalten. Wirkt auf einen Kreisel eine Kraft, "weicht er der Kraft in der Drehebene aus", er präzediert. Das voreilende Rotorblatt erzeugt mehr Auftrieb als das Rückeilende. Wäre es kein Kreisel, würde die Rotorebene nach links kippen (in der Rotation eilt das rechte Blatt voran).Wegen der Kreiselwirkung wird der Tragschrauber jedoch vorne angehoben. Diesem Drehmoment um die Querachse wirkt ein mit zunehmendem "aufbäumen", ein ebenfalls zunehmendes Gegenmoment der Gewichtskraft entgegen ( Flugzeugrumpf + Pilot + Motor + Leitwerk + Kraftstoff hängen wie ein Pendel an der Rotorscheibe).
Mehr Schub vom Motor bedeutet mehr Geschwindigkeit = mehr Auftrieb = wir steigen!
Weniger (oder kein) Schub vom Motor bedeutet weniger Geschwindigkeit = weniger Rotordrehzahl = weniger Auftrieb = wir sinken!
Reicht die Rotordrehzahl nicht mehr aus, die Flughöhe zu halten, geht der Tragschrauber in einen Sinkflug über. Der Anstellwinkel steigt wieder an, der Rotor wird auf Drehzahl gehalten. Ein Tragschrauber kann also niemals "überzogen" werden, er kann gar nicht anders, als sich seine Fahrt zu holen.
Der Gleitwinkel ohne Motorleistung beträgt etwa 1:4 (UL- Flugzeuge haben bis zu 1:10).
 
So ist es dann auch bei einem Motorausfall möglich sicher und heil zu landen!

Autorotation


Danksagung
Ich bedanke mich bei folgenden Institutionen und Firmen für die Unterstützung meines Projekts: EAS-Team (u.a. Bruno, Henry und Hans für den Ausflug nach Salzburg zur Werksbesichtigung), BAZL-Team, Firma Avionitec, Firma Aerotec und FD-Composites, sowie allen weiteren die mir zur Seite standen. Ein besonderer Dank gilt Bruno Banz (Bauberater/Fluglehrer) für die grossartige Unterstützung von der Idee über den Bau bis hin zum Erstflug und der gefolgten Flugerprobung.

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