Im März 2019 wurde in der deutschen Fliegerzeitschrift „Aerokurier“ eine Vorankündigung veröffentlicht, um das Fest zum 100jährigen Bestehen des Verkehrsflugplatzes Devau bei Kaliningrad zu besuchen. Natürlich sollte das mit einem oder mehreren unserer Kleinflugzeuge geschehen.

 

Wir im Verein wurden durch ein aufmerksames Mitglied darauf aufmerksam gemacht und stellten fest, dass wir dort unbedingt hinfliegen sollten. Die Webseite www.devau100.ru zeigte etwas Informationen dazu.

Also begannen schon im April die ersten Vorbereitungen und Kontaktaufnahmen. Der Kieler Luftsportverein stellte die 1. Kontaktstelle für uns dar. Hier liefen alle Fäden für die westeuropäischen Teilnehmer zusammen. Ab Juli wurden die Pläne dann konkreter und wir begannen mit dem Zusammensuchen der notwendigen Dokumente von Mensch und Maschinen. Gleichzeitig lief auch parallel die Kommunikation mit dem Hanseoffice in Kaliningrad, über welches die Organisation unter anderem Übersetzung und örtliche Kontakte sicherstellte. Auch die notwendigen Visa für die Teilnehmer waren mittlerweile einfach zu organisieren, nachdem, neu seit dem 1. Juli 2019, Visa für die Region Kaliningrad online beantragte werden können.

Wir hatten anfangs in unserem Verein 8 Interessenten, sowie 2 Passagiere und es wurde mit 4 Flugzeugen und einer privaten Maschine gerechnet. Im Zuge der letzten Vorbereitungen wurden es schlussendlich total 3 Flugzeuge (2 von der Fluggruppe Sarnen-Kägiswil (HB-CZV und HB-PNG) und 1 privat gehaltenes Flugzeug (HB-PEW)) und 6 Teilnehmer bzw. Piloten.

Während dieser Vorbereitungszeit wurden unzählige eMails und Whatsapps-Nachrichten hin- und hergeschickt. Ein besonderer Dank gebührt hier den Mitarbeiterinnen des Hanseoffice in Kaliningrad (Frau Tatjana Pavlova und Tatjana Woloschina) sowie Herrn René Lancelle vom Luftsportverein Kiel e.V., welche unermüdlich Fragen beantworteten und scheinbar zu jeder Tages- und Nachtzeit erreichbar waren und am Computer sassen. Immer wieder wurden wir häppchenweise mit neuen Infos und Fotos versorgt, sei es Programmänderungen, oder Informationen zu den neu eingerichteten Pisten auf dem Flugplatz Devau (Maloe Isakowo) bzw. Waldau (Nisowje).

Wir wurden mit genauen Einflugzeiten und -routen für den russischen Luftraum versorgt, ebenso wie mit Wegpunkten für geplante lokale Ausflüge über russischem Territorium. All dies gelang nur dank tatkräftiger Unterstützung durch den Vertreter der russischen AOPA, Herrn Evgeny Kabanov. Auch war er es, welcher die dafür notwendigen Permissions für die einzelnen Flugzeuge organisierte. Ebenfalls hatten wir gegenüber René Lancelle und dem Hanseoffice Bedenken geäussert, dass eventuell mit einer nicht zu verachtenden Zeitverzögerung bei der Abfertigung der rund 70-80 Flugzeuge in Kaliningrad zu rechnen wäre, denn die Einreiseformalitäten und der damit verbundene Bürokratismus war schon abzusehen.

Das Fest sollte vom 16.-18. August 2019 auf dem ehemaligen Verkehrsflughafen Devau in Kaliningrad stattfinden. Am Montag, den 12.8. trafen sich die 6 Piloten in Luzern bei einem Bier und besprachen die zu fliegende Route und das weitere Vorgehen. Ebenso sollte entschieden werden, ob die Reise tatsächlich angetreten würde, oder eben nicht, denn die Wetterprognosen für das Wochenende, sowohl in Kaliningrad, als auch für den Heimweg in die Schweiz, waren alles andere als sonnig. Schlussendlich vertagten wir die Entscheidung auf den Mittwochmorgen. Was auf jeden Fall klar war, dass wir noch am Mittwoch losfliegen wollten, da am Donnerstag das Flugwetter ein Verlassen der Schweiz wahrscheinlich verunmöglicht hätte. Unsere Route sollte Kägiswil-Dresden-Gdansk-Kaliningrad sein. Der Rückflug wäre geplant von Kaliningrad-Olsztyn/Mazury-Prag-Kägsiwil. Aufgrund unterschiedlicher Arbeitszeiten mussten die 3 Crews ihre Reisen separat antreten. Unser erster Treffpunkt war der Abend des Mittwoch in Dresden. Hotel und Besichtigungsmöglichkeiten haben wir bei der Voranfrage von der freundlichen Handlingagentin des GA-Terminals in Dresden (EDDC) erfragt. Die Crew der HB-PNG gab am Mittwochmorgen ihren Abflug bekannt. Am frühe Nachmittag dann startete die HB-PEW und am späten Nachmittag die HB-CZV. Obwohl die HB-PNG als erstes startete, landete sie als 2. unserer Gruppe in Dresden. Die HB-PEW nahm den Weg nach Dresden direkt unter die Flügel, während HB-PNG in Augsburg und Hof je zwischenlandete. Nach der Landung organisierte die Crew der HB-PEW die Übernachtung für unsere 6 Piloten in Dresden mitten in der Altstadt und wartete im Schankhaus an der Frauenkirche auf das Eintreffen der anderen Crews. Das obligatorische After-Landing-Beer mundete vorzüglich, obwohl es für die HB-PEW schon das 2. Bier war, denn das erste (allerdings alkoholfreie) wurde schon auf halber Strecke im Flug genossen. Zum Bier kam dann noch traditionelle sächsische Kost als Abendessen (Sauerbraten, Knödel, Rostbratwurst) dazu. Leider fehlte zum Dessert die bekannte Dresdner Eierschecke. Nach einem kurzen Spaziergang zur Semperoper und dem Zwinger ginge es müde ins Bett.

Am nächsten Morgen wurde während des Frühstücks die Route nach Gdansk (EPGD) geplant. Aufgrund der für Freitag prognostizierten Wettervorhersage, ein Flug von Gdansk nach Kaliningrad wäre nur bei schlechten Sichtflugbedingungen möglich, entschieden wir uns, schon am Donnerstag nach Kaliningrad überzusetzen. Allerdings war unsere Permission der russischen Luftfahrtbehörde nur für den Freitag, 16.8. gültig. Wir informierten also das Hanseoffice in Kaliningrad mit der Bitte um Verständnis und Vorverlegung der Einflugdaten. Tatsächlich erhielten wir kurze Zeit später die abgeänderte Permission mit Gültigkeit vom 15.8. ab 0700 UTC für 48 Stunden für den Flug von Gdansk nach Kaliningrad. Vom geplanten Besichtigungstag in Dresden trennten wir uns somit leicht und machten uns auf den Weg zum Flughafen. Die Route sollte uns über Cottbus und Westpolen direkt nach Gdansk führen. Ein paar aktive militärische Sperrgebiete galt es zu umfliegen. Aber sonst war der Flug eher unproblematisch, denn er herrschte schönes Wetter mit ein paar kleinen Wolken unterwegs. Im Anflug konnte die HB-PEW die HB-CZV doch noch wieder überholen, indem sie eine Abkürzung bei der Flugsicherung anfragte und bewilligt bekam. Gleichzeitig hörten wir am Funk mit, wie der Formationsflug einer deutschen Formation, nicht so recht klappen wollte, da sich der Leader sträubte, auch wirklich der Leader der Formation zu sein. In Gdansk gelandet waren wir nicht die ersten und einzigen Flugzeuge, die nach Kaliningrad wollten. Es stand schon eine kleine Armada von Ultraleichtflugzeugen aufgereiht parat. Allerdings hatten nur wir vor, noch gleichentags weiterzufliegen. Die Abfertigung in Gdansk war speditiv und unkompliziert. Nach einer kurzen Stärkung im Terminal starteten wir nun gegen 14 Uhr nach Kaliningrad. Am Funk war der Controller von Gdansk mit einer deutschen Pilotin beschäftigt, sie auf den richtigen Weg ausserhalb des kontrollierten Luftraumes zu bringen, indem er ihr ständig magnetische Kurse und Headings durchgab, sie aber offenbar damit ein wenig überfordert war („do you have problems with compass? - …no!“ oder „is that right so?“). Wir flogen entlang der frischen Nehrung, einer schmalen Landzunge, die das frische Haff von der Ostsee trennt, zum Grenzpunkt GOMED, als wir Kaliningrad Approach aufriefen. Weiterflug zum Punkt URAMA. Dort wurde das erste Flugzeug (HB-CZV) etwas überraschend gefragt „are you able to fly visual approach RWY 24?“, zumal wir ja mit VFR-Flugplan unterwegs waren. „Affirm, able to fly visual approach RWY 24“ und dichter Vorbeiflug am Marine-Luftstützpunkt Chkalovsk nordwestlich von Kaliningrad im Anflug auf Kaliningrad-Khrabrovo (UMKK). Unsere Anfrage für ein Abweichen von der direkten Route für einen kurzen Fotoflug über die Stadt Kaliningrad wurde leider nach einer kleinen Pause am Funk abgelehnt. Der TWR Kaliningrad fragte sogleich die Crew der HB-CZV "Are you able for a direct approach RWY 06?". Die Crew bestätigte dies und ging in den Longfinal RWY 06 zur Landung. Wir haben es also geschafft, und sind mit unseren Fliegern bis nach Russland gekommen. Nach der Landung wurden wir von Beamten und Zöllnerinnen nur so belagert. Für unsere 3 Flugzeuge wurden 10 Zöllnerinnen und 3 männliche Beamte aufgeboten. Neben der Passkontrolle wurden die Flugzeuge gründlichst inspiziert (Spiegel mit Verlängerungen, öffnen der Motorhauben, Gepäckkontrollen) Dabei haben sich die Zöllnerinnen selbst fotografiert und wurden auch von einem Presseoffizier(?) begleitet und es wurden reichlich gestellte Fotos mit Mitarbeitern und Piloten gemacht, die die gründliche Arbeit bezeugen sollten. Uns war es untersagt, die Damen und Herren mit Hüten zu fotografieren. Allerdings herrschte freundliche Stimmung und es wurde gescherzt. Die Verständigung fand auf Englisch und teilweise auch auf Russisch statt. Auch wenn es anfangs etwas holperte, klappte es mit der Sprache recht gut und wurde im Laufe des Aufenthaltes immer besser. Wir wurden unterstützt durch die junge Dame Xenia der Handling-Agentur „Avia-Partner“. Bei Ihr liefen alle Fäden auf dem Flugplatz zusammen. Wir äusserten unseren Wunsch, den Weiterflug zum Flugplatz Devau noch gleichentags antreten zu wollen, was sie unterstützte, jedoch von Problemen mit der Flugplanaufgabe berichtete. 3 bereits vor uns gelandete Maschinen hätten es nicht geschafft, die Flugpläne in das russische Flugsicherungssystem zu bringen. Wir wurden in ein Büro gebracht, wo wir einen Computer zur Verfügung hatten. Die Crews der anderen Flugzeuge warteten dort bereits. Die Schwierigkeit der Flugplanaufgabe bestand darin, den nicht offiziell verzeichneten Flugplatz Devau als Zielflugplatz anzugeben. Ebenso musste die Permission mit angegeben werden. Mit dem Online-System der Deutschen Flugsicherung DFS fanden wir die korrekte Formulierung und gaben die Flugpläne sowohl für unsere 3 Flieger, als auch die wartenden Maschinen auf. Freudestrahlend kam Xenia mit den Flugplänen in der Hand aus dem Tower zurück, erklärte nun aber, dass diese Flugpläne an das AIS in Moskau bzw. St. Petersburg zur Prüfung geschickt würden. Wir hatten uns also auf Wartezeit einzustellen. Rund 3 Stunden später, in denen alle 15 Minuten mit Moskau telefoniert wurde, kamen dann portionsweise die bestätigten Flugpläne aus Moskau zurück. Mittlerweile wurde auch das Tageslicht knapp und wir mussten uns entscheiden, ob wir noch den Überflug auf die unbekannte, frisch präparierte Piste, wagen wollten, da wir gesehen haben, dass es von der Bestätigung des Flugplanes über Bezahlen der (gepfefferten) Landetaxen (knapp 200 $ pro Flugzeug) bis zum Abheben nach Devau rund 30 Minuten dauerte. Unsere Deadline war kurz vor 20 Uhr, um noch bei Licht landen zu können. Gegen 19:35 kam die Bestätigung für die HB-PNG rein. Wir entschieden, HB-PNG soll fliegen, die beiden anderen kommen mit dem Taxi nach und überfliegen am folgenden Tag. Mitten in der Diskussion kam auch die Bestätigung für HB-PEW, während für HB-CZV abgelehnt wurde (offenbar haben wir den Flugzeugtyp im Flugplan nicht korrekt geschrieben, was Grund genug war um eine Ablehnung zu erteilen – DFS hatte jedoch diesen Flugplan problemlos durchgelassen). Also machten sich die Crews unverzüglich auf den Weg zum Flugzeug, während die Crew der HB-CZV die Landetaxen beider Flugzeuge beglich. So sparten wir etwas Zeit, mussten aber die Beamten überzeugen, dass wir auch wirklich die Landetaxen für die anderen Flieger bezahlen würden. Beide Crews waren schnell parat und wurden vom Tower Chrabrovo in die Luft geschickt, mit maximal 200m AGL in Richtung Devau zu fliegen. Wir hatten zwar handgezeichnete Anflugkarten und Kopien aus dem russischen AIP, aber der Platz lag ja fast mitten in der Stadt und die beiden parallelen Pisten (Gras – 500m, 20m breit, Schotter – 900m, 10m breit) waren frisch für uns angelegt worden. Also wurde entschieden, einen tiefen Überflug über das Gelände zu machen. Die Platzrunde sollte zwar westlich der Piste geflogen werden, aber östlich war die Stadt mit ihren Sehenswürdigkeiten. Also nutzten wir die Gelegenheit, unter dem Radar, doch noch den Überflug über die Stadt zu machen. Aus dieser geringen Höhe konnte man wenigstens noch was erkennen, auch wenn es schon stark dämmerte. Während der Pilot flog, machte der Copilot den Funk und die Fotos über der Stadt und Videos des Anflugs. Am Funk antwortete erst eine gebrochen deutsche Stimme „wollen Sie landen?“, was wir bestätigten. HB-PNG überflog den Platz hoch, während HB-PEW einen low-pass RWY 008 ankündigte. Die Piste sah gut aus, ohne Hindernisse. Mittlerweile kamen auch per Funk bekannte Begriffe auf gutem Deutsch. Später erfuhren wir, dass 2 Piloten einer der Maschinen von Chrabrovo am Platz waren, und freundlicherweise den Funk übernommen hatten. Nach dem tiefen Überflug folgte dann wiederum die linke Platzrunde über die Stadt mit anschliessender sauberer Landung auf dem Schotterweg. Umgehend folgte HB-PNG mit der Landung. Es war mittlerweile recht duster, aber wir waren heil an unserem Ziel angekommen. Da wir ja einen Tag früher als erwartet ankamen, war noch nicht viel vorbereitet, aber der „Flugplatz-Chef“ Sergej und auch Talgat (ein ehemaliger Militär-Fallschirmspringer-Pilot) und der Sicherheitschef (gebrochen Deutsch sprechend) empfingen uns freundlich. Das Follow-Me-Car (zivil zugelassener Ford Fiesta) wurde von Sergej`s Frau Julia gefahren. Wir wurden auf dem ehemaligen Vorfeld des ersten deutschen zivilen Verkehrsflughafens Devau (XMKI) abgestellt. Für die Bewachung der Flugzeuge bei Nacht sorgte der Sicherheitschef persönlich, indem er seinen Campingwagen direkt neben unsere Flugzeuge platzierte und dort übernachtete. Wir wurden offiziell empfangen, indem jeder Crew eine Flasche eiskalter Vodka (Staraya Marka) überreicht wurde und dieser natürlich auch gleich probiert werden musste ;-). Wir wurden von Talgat zu unserem Hotel „Kaiserhof“ gefahren und dort von der Crew der HB-CZV erwartet. Unserem Wunsch nach typisch russischem Abendessen (Borschtsch (Rote Beete-Suppe), Pelmeni, Königsberger Klopse) wurde entsprochen und wir wurden in das Restaurant „Borschtsch & Salo“ geführt. Weil das Auto von Talgat nur 5 Plätze hatte, wir aber 7 Leute waren, mussten halt 2 von uns im Kofferraum des SUV mitfahren. Im Restaurant warteten schon die anderen Piloten und wir hatten einen schönen Abend und Einstieg in unseren Aufenthalt in Kaliningrad. Erschöpft ging es ins Hotel zur Nachtruhe.

Der folgende Tag war flugfrei. Wir konnten die Stadtrundfahrt gemeinsam mit den anderen Piloten geniessen. Das Hanseoffice hat uns eine Exkursion mit deutscher Führung organisiert. Die Stadtführerin Elena zeigte uns Ihre Stadt mit vielen Hintergrundinformationen. Wir sahen das seit Jahrzehnten leerstehende „Haus der Räte“ am Standort des ehemaligen Kaliningrader Schlosses, einige der ehemals 6 Stadttore, das Schauspielhaus, die Christ-Erlöser-Kathedrale am Platz des Sieges mit ihren goldenen Kuppeln, das Museum des Weltozeans und standen am Ende auf der Kantinsel (Kneiphof) vor dem Kaliningrader Dom und dem Grabmal des deutschen Philosophen Immanuel Kant. Das angedachte Orgelkonzert fiel leider wegen technischer Probleme aus. Dafür machten wir einen Spaziergang durch das bilderbuchmässig rekonstruierte Fischerdorf mit deutschen Fachwerkhäusern direkt am Fluss Pregel gelegen. Danach besuchten wir noch eines der Geschäfte mit echten und wertigen Bernsteinen (vom Kaliningrader Bernsteinkombinat Jantarny). Anschliessend begab sich die Crew der HB-CZV zum Flughafen Chrabrovo, um die HB-CZV endlich doch noch nach Devau zu überfliegen. Den Flugplan dafür gaben wir schon beim Frühstück auf, in der Hoffnung, nicht wieder so ewig auf die russische Bewilligung warten zu müssen. Offenbar hatten die Verantwortlichen auf dem Flugplatz Chrabrovo von gestern gelernt, denn die Abfertigung dauerte keine 10 Minuten, bis es zum Flugzeug ging. Dementsprechend kurzfristig kam die Anmeldung per SMS, dass die Crew unterwegs sei. Die anderen sprangen in ein Taxi und wollten natürlich bei der Landung dabei sein. Noch im Taxi sahen wir über den Häuserschluchten der Stadt kurz eine Cessna sehr tief fliegen, was nur unsere HB-CZV sein konnte. Mit dem Handfunkgerät baten wir um eine Verzögerung der Landung, da unsere Fotoapparate noch nicht parat waren und wir wegen des üblichen Nachmittagsverkehrs in Kaliningrad den Flugplatz Devau knapp erreichten. Trotz Spurt zur Piste sahen wir nur noch das Ausrollen der Cessna, konnten aber dafür die anderen Flugzeuge der inzwischen gelandeten Teilnehmer besichtigen. Somit waren alle unserer Piloten in Devau (XMKI) am eigentlichen Ziel angekommen. Für den Abend war ein Briefing im Ausbildungszentrum der DOSAAF angekündigt. Vorher suchten wir noch ein Restaurant, welches Königsberger Klopse im Angebot hatte (offenbar ist dies mittlerweile eher ein deutsches Gericht, denn in Kaliningrad wird Touristen dieses nur noch selten angeboten. Wir fanden nur 1 Restaurant und auch dieses hatte nur noch 1 Portion. So konnten nicht alle die Königsberger Klopse probieren. Auf dem anschliessenden Briefing im DOSAAF-Zentrum wurde das Programm des Festivals besprochen. Unter anderem würden für die Zuschauer einige Aktivitäten der DOSAAF präsentiert, aber es konnten auch Rundflüge über das Gebiet Kaliningrads mit dem eigenen Flugzeug angemeldet werden. Kurze Überflüge zum Kleinflugfeld Waldau wären auch möglich, um dort AvGas bzw. das russische Äquivalent B91/115 zu tanken. Die DOSAAF ist eine paramilitärische Organisation mit dem Ziel der Erhöhung der Verteidigungsbereitschaft der Bevölkerung. Am ehesten entspricht die DOSAAF der GST (Gesellschaft für Sport und Technik) in der ehemaligen DDR. Wir aus der Schweiz haben der Organisation, den Flugplatzvertretern, den Vertretern der AOPA und allen Anwesenden unseren Dank ausgesprochen und mussten leider unsere vorzeitige Abreise bekanntgeben, da das Wetter für den Heimflug am Montag und Dienstag sehr schlecht aussah. Eine lange Front mit eingelagerten Gewittern sollte von Frankreich quer bis nach Polen zu liegen kommen. Somit konnten wir am eigentlichen Festival nicht teilnehmen. Aber wir hatten die Möglichkeit, viele andere Piloten, mehrheitlich aus Deutschland, aber auch Polen und Russland kennenzulernen. Unter anderem trafen wir den polnischen Piloten einer Cirrus SR22 G3, welcher als erster Westeuropäer mit einem Kleinflugzeug (nach Mathias Rust) offiziell VFR in Russland unterwegs war und es bis nach Rostow am Don schaffte. Nach einem Absacker-Bierchen in der Hotelbar ging es zu Bett.

Am folgenden Morgen war die erste Flugbewegung auf dem Flugplatz Devau für 11 Uhr Lokalzeit angesetzt. Wir mussten nach Chrabrovo (UMKK) um von dort nach Olszyn-Mazury (EPSY) zu fliegen. Nach einer herzlichen Verabschiedung verliessen die HB-PEW und HB-PNG Devau in Richtung Chrabrovo. HB-CZV sollte folgen, erlitt dann aber beim Rollen auf der Graspiste eine Bodenberührung des Propellers. Flugunfähigkeit war eingetreten. Planänderungen mussten sofort her um die Heimkehr nicht zu gefährden. Die Verantwortlichen in Devau reagierten rasch und unverzüglich, und zogen die Maschine in einen Hangar vor Ort. HB-PEW und HB-PNG wurden in Chrabrovo informiert. Nach der provisorischen Schadenaufnahme vor Ort entschieden wir, die Crew auf die beiden anderen Flugzeuge aufzuteilen und mit 2 Flugzeugen in Richtung Schweiz abzufliegen. Zum Glück war uns die Handlingagentin Xenia in Chrabrovo weiterhin gut gesonnen und organisierte die geänderten Pläne mit dem Tower und erwartete die Crew am Taxistand und half bei dem Passieren der Sicherheitskontrollen im öffentlichen Terminal. Erstaunlicherweise völlig unkompliziert passierten wir die Passkontrollen und waren gegen 14 Uhr wieder an unseren Flugzeugen. Erneut traten die Zöllnerinnen in Aktion und untersuchten wieder die Maschinen (wieder mit Motorraum- und Kofferrauminspektionen) – als ob wir Vodka ausser Landes schmuggeln wollten (was wir natürlich niemals machen würden). Nachdem keine Schmuggelware gefunden wurde, gab es auch hier einen herzlichen Abschied mit persönlichem Händedruck mit allen anwesenden Beamten und Zöllnerinnen. Die departure-clearance wurde durch uns korrekt zurückgelesen und wir waren wieder auf dem Weg nach „West-Europa“. Der Überflug der masurischen Seenplatte beeindruckte alle. In Olsztyn-Mazury (EPSY) erwarteten uns auf unsere Ankündigung von gestern Abend hin erneut Zöllner, die Ihren Job noch ernster nahmen und wirklich eine Gepäckkontrolle machten. Jedenfalls war der gewünschte technical stop in Mazury wirklich nicht länger als nötig, was den Handlingagenten Jakub und Krystian zu verdanken ist. Nebenbei erfuhren wir, dass es viele Touristen auf den Flugplatz, mit brandneuem Terminalgebäude, verschlägt, die entweder die wunderbare Natur oder aber auch historische Orte (Wolfsschanze, amerikanische Basen zum Verhör von Taliban) in unmittelbarer Nähe besichtigen wollten. Ein erneuter Besuch durch uns (Fluggruppe Sarnen-Kägiswil) wurde in Aussicht gestellt. Weil der direkte Flug bei dem starken Gegenwind nach Prag etwas zu lang werden würde, wollten wir eine Zwischenlandung in Wrozlaw (Breslau) machen. Etwa 1 Stunde länger als ohne Wind brauchten wir von EPSY nach EPWS (Szymanow). Der Anflug auf den Grasplatz mit 3 Pisten war etwas tricky, zumal die beiden parallelen Pisten nicht so eindeutig voneinander zu unterscheiden waren. Die Fallschirmspringer vor Ort waren sehr freundlich. Vor Ort erfuhren wir dann auch telefonisch, dass Prag-Letnany nur bis 19 Uhr Lokalzeit geöffnet haben wird. Es dämmerte auch schon leicht. Es kam eine kurze Diskussion auf, ob wir noch weiterfliegen wollten oder in Wrozlaw übernachten sollten. Wegen der für den nächsten Tag prognostizierten Wettersituation (Gewitter am späten Nachmittag in der Schweiz und starker Gegenwind aus West mit 25-35 kt) entschieden wir uns für einen Weiterflug, um den Weg am Folgetag möglichst kurz zu halten. Als Alternativlandeplatz bot sich Bautzen (EDAB) an. Der Türmer hätte zwar gegen 20 Uhr den Platz schliessen wollen, aber wir baten höflichst um eine Landemöglichkeit – also wollte er bis zu unserer Landung warten. Der Gegenwind machte uns nach dem Start in Wrozlaw-Szymanow wieder zu schaffen, was sich in Groundspeeds von teilweise nur 70 Knoten äusserte. Entsprechend verlagerte sich unsere Ankunft immer später in die Abenddämmerung. Völlig legal, aber schon bei nahender Dunkelheit baten wir den Tower Bautzen um eine volle Leistung der Pistenbeleuchtung und konnten den Platz schon von über 10 Meilen Entfernung erkennen. Anflug und Landung auf der über 2km langen Piste waren unspektakulär. Bürokratie wurde auf den folgenden Tag verschoben, den der Türmer wollte noch zu einer Geburtstagsfeier. Wir erhielten ein Grossraumtaxi, dessen Fahrer cool drauf war und geile Samstagabendmusik am Laufen hatte. Im Hotel im Stadtzentrum suchten wir eine Möglichkeit zum Abendessen, denn der Tag hatte alle ziemlich geschlaucht. Wir befanden uns ja in der Lausitz, dem Hauptsiedlungsgebiet der in Deutschland anerkannten Minderheit der Sorben. Dem Einen oder Anderen kommen vielleicht in diesem Zusammenhang sehr kunstvoll bemalte Ostereier vors Auge. Das besonders kunstvolle und aufwändige Verzieren der Ostereier ist ein fester Osterbrauch der Sorben. Leider bot das sorbische Restaurant „Wjelbik“ keine warme Küche mehr. Also schwenkten wir um in den Mönchshof, einem mittelalterlichen Restaurant, in welchem die Bedienung als Mönche verkleidet verkehren. Alle fanden ein Menü nach ihren Vorlieben und wir liessen den ereignisreichen Tag ausklingen. Die Habana-Bar direkt am Hotel (Empfehlung vom Taxifahrer) wurde anschliessend nur noch vom harten Kern der Gruppe für ein Bier besucht.

Am nächsten Morgen zeigten sich die ersten Ausläufer der vorhergesagten Front über dem Erzgebirge. In Bautzen fiel leichter Sprühregen. Die Route wurde wie üblich am Frühstückstisch geplant und sollte einen Zwischenstopp in Augsburg enthalten, weil die Anforderung des Zolls in Bautzen über 180 Euro gekostet hätte. Im Tower holten wir noch die letzten Wetterdaten ein und machten uns bald danach vom Feld. Kurz nach dem Start lichtete sich der Himmel wieder und über dem Erzgebirge hatten wir wieder gute Sicht, aber recht bockige Verhältnisse bei wieder nur knapp 70 Knoten Groundspeed. Nach dem Überfliegen des Fichtelberges mussten wir uns vorübergehend bei „Karlovy Vary Radar“ für den Durchflug des D-Luftraumes melden und gleichzeitig wurde es deutlich ruhiger in der Luft. Wieder zurück bei „Langen Information“ hörten wir von mindestens 2 Flugzeugen in unangenehmen Wettersituationen, die dann schlussendlich bei Berlin-Schönhagen eine Sicherheitslandung machen mussten. Ausser recht starkem Gegenwind hatten wir jedoch gutes Flugwetter. In Augsburg (EDMA) gelandet füllten wir wieder unsere Tanks nach, um genügend Reserven für den Heimflug zu haben. Der Zöllner wollte von uns nichts wissen und so ging es nach einer kurzen Kaffee-Pause auf den Endspurt in Richtung Zentralschweiz. Der Durchflug durch die TMZ Memmingen und TMZ Friedrichshafen mit besonderem Transponder-Code bei Hörbereitschaft gestaltete sich auch angenehm und erspart einige Meilen Umwege. Und so kamen wir gegen 17 Uhr Lokalzeit in Buochs (LSZC) und Kägiswil (LSPG) wohlbehalten wieder an. Kurzes Revue-passieren-lassen bei einem After-Landing-Beer beendete diesen Auslandsflug.

Laut GPS-Track sind wir bei diesem Ausflug 1543 Meilen geflogen. Total waren es 15 Stunden und 22 Minuten Flugzeit.

Besonderer Dank gebührt René Lancelle vom Luftsportverein Kiel e.V., dem Hanseoffice Kaliningrad mit Tatjana Pavlova und Tatjana Woloschina, der AOPA Russland mit Evgeny Khabanov, der Handlingagentin Xenia (AviaPartner), der DOSAAF und natürlich all den Verantwortlichen auf den Flughäfen Chrabrovo (UMKK) und Devau (XMKI) für ihren unermüdlichen und ununterbrochenen Einsatz, um dieses Event überhaupt möglich zu machen. Wir als „Schweizer Delegation“ fühlen uns geehrt, daran teilhaben zu können und waren beeindruckt vom Organisationstalent und vom gesamten Ablauf der Veranstaltung, vor allem vor dem Hintergrund der vielen bürokratischen Hindernisse und Unwägsamkeiten. In der Hoffnung, durch dieses Event die eine oder andere Tür in Richtung „Fliegen in Russland mit Kleinflugzeugen“ geöffnet zu haben, sind wir guten Mutes, auch in Zukunft den einen oder anderen Ausflug in diese, für uns noch unbekannte Gegend Europas, durchführen zu können.

Ein kleiner Wehmutstropfen begleitet allerdings den Ausflug im Nachhinein: Natürlich ist der unglückliche Vorfall mit der HB-CZV zu erwähnen, aber da nur Sachschaden entstand, ist dieser wenig erwähnenswert. Unschöner ist die Tatsache, dass die Medien in Kaliningrad offenbar den Besuch der Piloten in Devau kontrovers kommentieren, zumal einer der anwesenden Piloten mit einem nachgebauten deutschen Kriegsflugzeug in authentischer Lackierung scheinbar die Öffentlichkeit damit „provozierte“ und vom FSB (Geheimdienst) von der Teilnahme am Festival ausgeschlossen wurde. https://www.rudnikov.com/koenigsberg/%d1%81%d0%be%d1%82%d1%80%d1%83%d0%b4%d0%bd%d0%b8%d0%ba%d0%b8-%d1%84%d1%81%d0%b1-%d0%bf%d0%be%d0%b9%d0%bc%d0%b0%d0%bb%d0%b8-%d1%84%d0%b0%d1%88%d0%b8%d1%81%d1%82%d0%b0-%d0%b2-%d0%ba%d0%b0%d0%bb/

Mittlerweile gibt es auch wohlwollendere Berichte in den russischen Medien:

http://aviamir.info/100-let-aerodrom-devau/

http://www.koenigsberger-express.com/index.php?id_article=4293&kat=2

Wir jedenfalls sind überzeugt, dass Kaliningrad zukünftig mehr Flieger aus "dem Westen" anziehen dürfte und die bürokratischen Hürden gemindert werden. Wir können also nur alle Piloten und Pilotinnen ermuntern diesen ersten Schritt der Völkerverständigung aufzunehmen und den Weg weiterzugehen.

 

In diesem Sinne und mit Fliegergruss

Philipp „K10“, Dennis Rybaczyk